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Das Einzige, was ich mehr liebe als den Geruch von Gewürz, ist der Geruch von frischem Blut.
Ehemalige Geehrte Mater Doria,
Aufzeichnungen aus der Anfangszeit der Ausbildung
Die Jagd begann im Morgengrauen.
Die großen, waschbärgesichtigen Männer benutzten Lähmstöcke, um die fünf gefangenen Geehrten Matres aus ihrer stinkenden Zelle unter dem Holzturm zu treiben. Hrrm und der schwarz gestreifte Futar liefen aufgeregt hin und her, sechs jüngere Artgenossen heulten und knurrten begierig.
Mit schimmernden orangefarbenen Augen hatten die Frauen den Leichter der Ithaka auf der anderen Seite der Lichtung bemerkt. Nun stürmten zwei der Geehrten Matres impulsiv aus dem verdreckten Gefängnis und stießen die Lähmstöcke mit schnellen Tritten und Schlägen beiseite.
Aber die Bändiger und Futar waren gut darin geübt, jeden Widerstand zu unterbinden. Bevor die Huren fliehen konnten, machte der schwarz gestreifte Futar einen Satz und warf eine von ihnen zu Boden. Er bleckte die langen Zähne an ihrem Hals und konnte sich kaum davon abhalten, ihr den Kehlkopf herauszureißen und die gespannt erwartete Jagd viel zu früh zu beenden. Die Frau schlug wild um sich, aber der Futar grub seine Krallen in ihre Schulter und hielt sie mit seiner Kraft und seinem Körpergewicht fest.
Hrrm hatte die zweite Frau in die Enge getrieben und belauerte sie mit angespannten Muskeln. Ein hungriges Knurren stieg aus seiner Kehle empor. Die jüngeren Futar schlichen in der Nähe herum und wollten ihren Anteil an der Beute.
»Noch nicht.« Der Leitende Bändiger zeigte ein stilles Lächeln auf seinem langen, schmalen Gesicht. Hrrm und Schwarzstreifen erstarrten, die jüngeren Futar heulten.
Miles Teg hatte nicht viel für die Geehrten Matres übrig, da er vom Leid wusste, das sie über die Bene Gesserit gebracht hatten, und selbst von ihnen gefoltert worden war. Sie hatten ihn bereits einmal getötet, als sie Rakis verwüstet hatten. Doch als militärischer Kommandant betrachtete der Bashar sie als Gegner, denen er nicht mit unangemessener Boshaftigkeit entgegentreten sollte. Der junge Thufir Hawat bemerkte die intensive Konzentration des Bashars und imitierte ihn, um Daten zu sammeln und eine Grundlage für künftige Entscheidungen zu schaffen.
Der alte Rabbi schien gar nichts von der Vorstellung einer Jagd zu halten, obwohl die Geehrten Matres auf Gammu auch sein Volk verfolgt hatten. Sheeana stand schweigend daneben und nahm die Gewalt hin, die zweifellos stattfinden würde. Sie war sogar recht fasziniert.
»Wir werden euch töten«, knurrte die Geehrte Mater, die von Hrrm in Schach gehalten wurde. Sie krümmte sich zusammen, streckte die Hände wie Waffen aus und war bereit zum Angriff. Hrrm ließ sich nicht von ihr einschüchtern.
Die sechs jungen Futar grollten und geiferten, ebenfalls begierig auf die Jagd. Ihr elementarer Hunger ging weit über das bloße Bedürfnis nach Nahrung hinaus. Die anderen drei Huren traten aus dem Gefängnis im Baumstumpf. Obwohl sie misstrauisch und kampfbereit waren, wollten sie auf eine günstigere Gelegenheit warten.
»Wir werden euch töten«, wiederholte die erste Geehrte Mater.
»Ihr werdet die Chance erhalten, es zu versuchen.« Orak Tho richtete sich auf, und ein Schatten legte sich über den dunklen Streifen auf seinem Gesicht. »Bringt sie in den Wald, wo sie laufen können.«
»Warum exekutieren wir sie nicht hier?«
»Weil uns das nicht so viel Vergnügen bereiten würde.« Mehrere Bändiger lächelten. Sie waren ruhig und von ihrer Überlegenheit überzeugt.
Während sie zusah, versuchte Sheeana Vermutungen zu formulieren, woher dieses geheimnisvolle isolierte Volk gekommen war und wie seine wahren Ziele aussehen mochten. Sie trat einen Schritt auf die nächste Geehrte Mater zu. »Sagt uns eure Namen, damit ich eure Körper speichern kann, wenn dieser Tag vorbei ist.«
Die Hure, die immer noch vom schwarz gestreiften Futar festgehalten wurde, schlug um sich und heulte. Die ruhigere Geehrte Mater fixierte Sheeana lediglich mit starrem Blick.
Orak Tho hob gelassen die Hand, um weitere Drohgebärden zu unterbinden. »Eure Namen werden vergessen sein, wenn euer Fleisch vom Verdauungssystem dieser Futar verarbeitet wird. Eure physische Existenz wird als Exkrement auf dem Waldboden enden.«
Der Leitende Bändiger kehrte ihnen den Rücken zu und schritt auf seinen langen Beinen davon. Die hungrigen Futar näherten sich, um die Frauen an einem weiteren Fluchtversuch zu hindern.
»Kommt mit, zum Wald!« Orak Tho blickte sich zu den wütenden Geehrten Matres um. »Dort draußen habt ihr die Chance, Blut zu vergießen oder beim Versuch, es zu tun, zu sterben.«
* * *
Auf einem hohen Beobachtungsturm aus glattem silbrigem Holz stand Teg auf der offenen Plattform und hielt sich am Geländer fest, während er auf den Wald hinabblickte. Sheeana war an seiner Seite. Bändiger bewachten die Basis des Turms und hielten ihre Lähmstöcke bereit, falls sich die gejagten Geehrten Matres auf ihrer Flucht vor den Futar in diese Richtung wenden sollten. Die Wachen machten einen unbesorgten Eindruck, auch wenn sie großen Wert darauf legten, dass sich Teg und Sheeana hoch über der Todesarena in Sicherheit befanden.
Die Gäste des Leitenden Bändigers durften das Geschehen von diesem Beobachtungsposten aus verfolgen, von wo man angeblich den besten Blick hatte. Da sich der genaue Schauplatz der Jagd nicht vorhersagen ließ, waren der Rabbi und Thufir Hawat zu einem anderen Turm geschickt worden, der etwa einen Kilometer entfernt war. Der alte Mann hatte leisen Protest erhoben und gesagt, er würde lieber im Leichter warten, aber die Bändiger bestanden darauf, dass sie dem Spektakel beiwohnten.
»Damit beweisen wir, dass wir nicht Ihre Feinde sind«, hatte Orak Tho gesagt. »Seien Sie Zeugen, was wir mit den Geehrten Matres machen. Sie möchten sie doch sicherlich leiden sehen, nach all dem Schmerz, den sie Ihnen zugefügt haben.«
»Ich möchte die Jagd beobachten und Ihre Futar in Aktion erleben«, hatte Thufir erwidert und Teg einen bedeutungsvollen Blick zugeworfen. »Es ist wichtig, sich einen Eindruck zu verschaffen, wie diese Frauen kämpfen, nicht wahr, Bashar? So können wir uns besser vorbereiten, falls wir erneut mit ihnen zu tun bekommen.«
Nachdem die vier Beobachter zu den Türmen gebracht worden waren, ertönten laute Hörner im Wald. Sheeana und Teg blickten auf das Labyrinth der Pappeln hinunter. Die Bändiger, die unten am Turm Wache hielten, gaben ein Signal. Irgendwo außer Sichtweite teilten sich die fünf Geehrten Matres auf und stürmten ins Unterholz.
Für Teg war es offensichtlich, dass die Bändiger und die Futar solche Jagden schon viele Male veranstaltet hatten.
Unter ihnen rannten zwei muskulöse Tiermenschen zwischen den Pappeln und nahmen die Verfolgung ihrer Beute auf. Teg konnte ihre Mordlust direkt spüren. Die Geehrten Matres würden den Futar einen guten Kampf liefern, aber im Grunde hatten sie gar keine Chance. Schnell verschwanden die Jäger zwischen den Bäumen.
Sheeana und er warteten ab. Der große Wald, der die Siedlung aus Türmen umgab, war ein endloses Labyrinth aus herbstlich goldenem Laub und silberner Rinde. Natürliche Pappelwälder waren genetisch identische Klone, da sie Ableger bildeten und kaum befruchtete Samen ausbildeten. Rund um die hohen Stämme lagen abgefallene gelbe Blätter wie antike Solari-Münzen am Boden. Aus dieser Perspektive wirkte die endlose Abfolge kerzengerader Stämme wie Gitterstäbe eines riesigen Käfigs.
Teg versetzte sich in das intensive Mentatenbewusstsein, während er darauf wartete, dass sich das Jagdgeschehen näherte. Er analysierte den Wald und setzte alle winzigen Puzzleteile zusammen, bis er ein unerwartetes Muster erkannte, das auf geschickte Weise in der Zufälligkeit versteckt war. Alle großen Bäume waren in einer präzisen Ordnung gepflanzt worden, die darauf angelegt war, den Eindruck einer »natürlichen Geometrie« zu erwecken.
Er überprüfte sein Ergebnis, aber es gab keinen Zweifel. »Dieser Wald wurde künstlich angelegt.«
Sheeana sah ihn an. »Eine Mentatenprojektion?«
Er antwortete mit der Andeutung eines Nickens, da er befürchtete, dass man Abhörvorrichtungen im Beobachtungsturm installiert hatte. Es gefiel ihm nicht, dass sie von Thufir und dem Rabbi getrennt waren. War diese Jagd nur inszeniert worden, um ihre Gruppe zu teilen, damit die Bändiger ihre privaten Gespräche ausspionieren konnten?
Er nahm eine Projektion zweiter Ordnung vor. Offenkundig hatten jene, die den Wald ursprünglich gepflanzt hatten, sich um den Anschein der Wildheit bemüht, es aber nicht geschafft, ihren eingefleischten Sinn für Ordnung gänzlich zu überwinden. Hatten Kolonisten aus der Diaspora diesen Wald vor Generationen auf kahlem Boden angelegt? Oder war das natürliche Chaos so verstörend gewesen, dass sie die vorhandenen Bäume gefällt und eine neue Wildnis entworfen hatten, die einem akzeptablen Muster folgte?
Aus der Ferne waren knackende Zweige, das Knurren von Futar und Schreie von Frauen zu hören. Unvermittelt bewegte sich die Quelle der Unruhe auf den Beobachtungsturm zu. Sheeana beugte sich näher an den Bashar heran und maskierte die Bewegung, indem sie tat, als wollte sie einen besseren Blick auf das Geschehen unter ihnen haben. »Machst du dir Sorgen, Miles?«, fragte sie leise flüsternd. Sie hatten soeben ein Signal an Duncan geschickt, dass mit ihnen alles in Ordnung war.
»Ich ... mache mir Gedanken. Diese Jagd ist ein Exempel. Zum Beispiel wissen wir, dass die Bändiger die Futar für den speziellen Zweck züchteten, Geehrte Matres zu töten.«
»Wenn man bedenkt, wie gefährlich die Huren sind, kommt es mir völlig vernünftig vor, dass die Bändiger solche Raubtiere erschaffen, um sich zu schützen«, sagte Sheeana. »Die Argumente des Leitenden Bändigers klingen sinnvoll. Es besteht kein Zweifel, dass wir in den Geehrten Matres einen gemeinsamen Feind haben.«
»Wenn man sich fragt, wer sonst noch an der Vernichtung der Geehrten Matres interessiert sein könnte, erscheinen die Allianzen plötzlich weniger eindeutig«, fuhr Teg fort. »Nur weil wir beide die Geehrten Matres hassen, müssen die Bändiger nicht zwangsläufig die gleichen Ziele wie wir verfolgen.«
Projektion dritter Ordnung: Wenn die Bändiger ihre gentechnischen Kenntnisse von den Tleilaxu hatten, die in die Diaspora geflohen waren, welche Rolle spielten dann die Bene Tleilax innerhalb des Gesamtkonflikts? Wem gegenüber waren sie loyal?
Er würde ein offenes Gespräch mit Scytale führen müssen, sobald sie zur Ithaka zurückgekehrt waren. Offensichtlich hegte der letzte alte Meister einen großen Groll gegen die Verlorenen Tleilaxu, die sein Volk verraten hatten. Diese Stiefbrüder der Tleilaxu hatten sich in der Diaspora verändert. Vielleicht wusste Scytale mehr darüber, als er bislang offenbart hatte.
Sein Mentatenbewusstsein stieß weiter vor. Er spürte das Pochen seines Herzens, wie sein Metabolismus auf Hochtouren lief. Wir sind nicht die Einzigen, die die Huren hassen. Die Geehrten Matres hatten auf irgendeine Weise den Äußeren Feind so sehr erzürnt, dass er sich dem Alten Imperium zugewandt hatte.
Tegs Hände klammerten sich fester um das Geländer. Als Sheeana seine Anspannung spürte, warf sie ihm einen fragenden Blick zu, doch mit einem kaum merklichen Kopfschütteln gab er ihr zu verstehen, dass sie nicht offen sprechen sollten. Er überlegte sich, wie er Duncan warnen könnte.
Sheeana packte seinen Arm. »Schau – da unten!«
Eine der fünf Geehrten Matres stürmte durch den Pappelwald und wich immer wieder den Baumstämmen aus. Drei Futar folgten der Beute, das drahtige Haar aufgerichtet und die Krallen ausgefahren. Die Frau rannte schnell wie der Wind. Ihre sehnigen Muskeln und bloßen Füße trugen sie durch das Unterholz, wobei sie Blätter aufwirbelte, als wären es goldene Staubwolken.
Am Fuß des Beobachtungsturms hoben zwei der Wächter ihre Lähmstöcke, mischten sich aber nicht in die Jagd ein. Sie wollten es den Futar überlassen, ihre Opfer zu töten.
Obwohl sie sich alle Mühe gab, würde die Geehrte Mater den Tiermenschen nicht entkommen. Ihr Haar war zerzaust, die Augen weit aufgerissen, die Zähne entschlossen gebleckt, als wäre sie bereit, sie in die Kehle ihrer Verfolger zu schlagen.
Mit mehreren schnellen Sätzen näherten sich die jungen Futar hungrig und ausgelassen der Frau. Teg fragte sich, ob sie Erfahrung mit der Jagd hatten oder ob dies ihre erste Hatz war.
Als sie den heißen Atem im Nacken spürte und wusste, dass die Futar sie jeden Moment reißen würden, sprang die Geehrte Mater in die Luft, stieß sich mit bloßen Füßen vom nächsten Pappelstamm ab und flog zur Seite. Der Futar unmittelbar hinter ihr versuchte sich blitzschnell zu drehen, wobei er eine Wolke aus Blättern und Zweigen aufwirbelte.
Die Frau landete auf dem Boden und sprang dann in die entgegengesetzte Richtung, die Arme ausgestreckt, die Zähne gefletscht. Sie prallte gegen den zweiten Futar, und die Wucht des Zusammenstoßes genügte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie rollte mit ihm über den Boden, setzte zwei Finger wie Knochendorne ein und stach ihm die Augen aus. Das geblendete Geschöpf heulte auf und schlug um sich. Im nächsten Moment packte die Frau seine Schnauze und brach dem Futar mit einem heftigen Ruck das Genick.
Ohne das geringste Zögern und kaum außer Atem sprang sie auf den dritten jungen Futar zu, die blutigen Finger ausgestreckt. Doch bevor die Geehrte Mater zuschlagen konnte, stieß der Futar einen durchdringenden Schrei aus, lauter und schrecklicher als alles, was Teg in seinem Leben jemals gehört hatte.
Die Wirkung des Schreis – zweifellos genau das, was der Futar und seine Ausbilder damit bezweckt hatten – bestand darin, die Frau erstarren zu lassen. Sie stolperte, als hätten ihre Muskeln vorübergehend den Dienst eingestellt. Eine animalische Version der Stimme?
Bevor sich die Geehrte Mater davon erholen konnte, warf sich der erste Futar von hinten auf sie und drehte sie auf den Rücken. Mit den Krallen riss er ihr lange, blutige Furchen ins Gesicht. Die andere Hand schlug er in ihren Unterleib, drang durch ihre gehärteten Muskeln und griff bis zum Ellbogen hinein, um ihr Herz herauszureißen.
Die Frau bewegte sich zuckend in einer Blutlache, dann lag sie plötzlich still. Das andere Futar schnupperte an der Leiche seines toten Artgenossen und gesellte sich dann zum Ersten, um gemeinsam mit dem Fressen zu beginnen.
Teg sah mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu zu. Die Wachen der Bändiger hoben die Leiche des getöteten Futar auf. Die übrigen zwei Tiermenschen schenkten ihnen keinerlei Beachtung, während sie das feuchte sehnige Fleisch ihres Opfers verschlangen.
Ein Stück weiter, in der Richtung des Turms, auf dem Thufir und der Rabbi Stellung bezogen hatten, waren ebenfalls Hörner zu hören, gefolgt von Knurren und dumpfen Schlägen. Die Jagd ging weiter.